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Legendäre Spiele #1

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Playoff-Zeit, geilste Zeit. Damals wie heute ist das Motto im Eishockey weit verbreitet. Auch in Straubing, seit je her eine "kleine" Eishockeyhochburg, freut man sich alljährlich auf die Zeit nach der Hauptrunde. Die Freude darüber war allerdings bei den Tigern im Vorjahr relativ kurz: 3:0 in der Best-Of-Five Serie gegen unsere Steelers. Doch kein Klagen aus Straubing, denn 2003 rechnete man sich als Achter der Vorrunde gegen den Vorrundensieger herzlich wenig aus. Im Jahre 2004 sahen die Vorzeichen hingegen etwas anders aus. Straubing beendete die Hauptrunde auf Platz drei, unsere Steelers gingen nur als sechster ins Ziel. Also wieder das Playoff-Viertelfinale gegen Straubing, diesmal mit getauschtem Heimrecht.

Für Straubing spielten in der Saison mit Norm Batherson, Zaubermaus Niklas Hede und natürlich Billy Trew einige Hochkaräter. Dazu gesellten sich Spieler auf dem Weg nach oben wie Sebastian Osterloh oder Kevin Lavallée, die beide später noch für die deutsche Nationalmannschaft aufs Eis gingen. Und auch Spieler, böse formuliert, auf dem Weg nach unten, wie zum Beispiel Andi Lupzig, wobei wir hier durchaus einen Aufstieg sehen, nachdem er von Heilbronn nach Straubing ging. Ebenso es gab auch ein paar bekannte Gesichter aus Sicht der Steelers, und auch welche die es werden sollten. So schnürte einer der Meister-Helden von 2013, Florian Schnitzer, die Schlittschuhe für die Niederbayern, ehe er in der Folgesaison für lange Zeit in die DEL verschwand. Auch Tobias Artmeier sollte noch die Seiten wechseln: Allerdings noch im selben Jahr, nur eine Saison später spielte Artmeier zwei Jahre für grün-weiß-blau. Die interessanteste Personalie stand aber bei Straubing im Tor. Nein, es geht nicht um Mika Pietilä. Der Finne stand zwar fast die komplette Hauptrunde im Tor, und verfügt über eine durchaus beeindruckende Vita, aber viel wichtiger war Christian Rohde.
Der junge Goalie wechselte zur Saison 2003/2004 von Bietigheim aus in die DEL zu den Hannover Scorpions. Von dort aus ging es kurz vor Ende der Hauptrunde per Förderlizenz nach Straubing. Dort wähnte man einen Coup, einen deutscher DEL-Torhüter für die Playoffs machte es möglich, dass nun sechs Ausländer im Feld spielen konnten. Für Pietilä, bei den eigenen Fans trotz guter Statistiken nicht immer unumstritten, blieb nur die Tribüne.

Auch der Bietigheimer Kader hatte einiges zu bieten und wurde vor der Saison mit dem Ziel Meisterschaft aufgestellt. Was anderes war mit DEL-Erfahrenen Profis wie Craig Teeple, Andrej Kovalev, Robert Brezina, Markus Wieland, Stefan Mann, Peter Gulda und Dion Del Monte gar nicht zu verkaufen. Im Tor stand mit Scott Fankhouser ein Ex-NHL-Spieler und dazu gesellten sich mit Darren Richtie und Calvin Elfring noch weitere absolute Top-Ausländer. Auch im Bereich "junge Deutsche" war man mit den Hinterstocker-Brüder gut aufgestellt. Oh, und spätere mehrfache Deutsche Meister, DEL Playoff MVP, und Spieler des Jahres 2008 Michael Wolf war auch noch in Bietigheim. Als Ergänzungsspieler bzw. Backup darf man Rene Schoofs und Silo Martinovic sicherlich auch nicht unerwähnt lassen.

Es war also alles angerichtet für spannende Playoffs als das legendäre Spiel am 19. März 2004 um 20 Uhr begann. 3.962 Zuschauer sorgten für ordentlich Lärm schon vor dem Moment an, als Hauptschiedsrichter Alfred Hascher den Puck ins Spiel warf. Straubing wollte viel und gab von Anfang an richtig Gas. Keine drei Minuten waren gespielt da schickte Hascher den Bietigheimer Vadim Finko auf die Strafbank und die Steelers mussten in Unterzahl agieren. Kein Problem: Nur 18 Sekunden nach der Strafe traf Craig Teeple in Unterzahl zur 1:0 Führung für die Steelers. Dieser Spielstand sollte relativ lange Bestand halten. Trotz vieler guter Möglichkeiten, gerade auch in Überzahl, konnte kein Team zählbares heraus holen. Besonders Rohde wächst immer wieder über sich hinaus und hält auch Pucks, die nicht zu halten sind. In der 25. Spielminute wurde der Pulverturm dann zum ersten Mal so richtig laut. Verteidiger Helmut Klößl traf zum Ausgleich. Mit 1:1 ging es dann auch in die letzte Drittelpause. Aus dieser kam Straubing wesentlich wacher zurück, denn es war noch keine Minute im Schlussdrittel gespielt, da brachte Jan Schinköthe sein Team zum ersten Mal in Führung. Und nur ca. 100 Sekunden später traf Helmut Klößl erneut und erhöhte die Führung der Tigers auf 3:1. Nur kurz darauf müssen mit Gulda und Teeple gleich zwei Grün-Weiße auf die Strafbank und Straubing hat in doppelter Überzahl die Riesenmöglichkeit eine Art Vorentscheidung zu bringen. Doch die Scheibe will noch nicht ins Tor von Scott Fankhouser. 10 Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit bringt Dion Del Monte die Steelers nach einem Patzer von Christian Rohde auf nur ein Tor heran, doch Jonathan Roy stellt nur kurze Zeit später den alten Abstand wieder her. Fünf Minuten vor dem Ende wieder Jubel im Gästeblock: Robert Brezina verkürzt in Überzahl auf 3:4. Es war nur noch ein Tor um in die Verlängerung zu kommen und die Spannung im Eisstadion am Pulverturm war greifbar. Die Schlussminute bricht an, Christian Rohde unter Dauerfeuer genommen, der aber, wie schon in den ersten beiden Drittel stark hielt. Scott Fankhouser hat sein Tor längst verlassen. Sechs Steelers geben alles um diese eine Tor zu erzwingen, doch Straubing hält wacker dagegen.

Noch 10 Sekunden zu Spielen, Straubing bringt die Scheibe raus, die Heimfans beginnen den Countdown.
Noch 9 Sekunden, Calvin Elfring fährt hinter das eigene Tor.
Noch 8 Sekunden Elfring nimmt die Scheibe auf.
Noch 7 Sekunden Elfring überquert die eigenen blauen Linie und schießt.
Noch 6 Sekunden, die Scheibe rutscht Rohde durch die Beine: Tor. Ausgleich! 6 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit erzwingt Calvin Elfring mit einem Schuss von hinter Mittellinie aus die Verlängerung.

Wer denkt, dass hiermit bereits der Höhepunkt der Dramatik erreicht wurde. In der 10-minütigen Verlängerung parierte Rohde mehrfach bravourös und auch Scott Fankhouser ließ nichts mehr zu, und so musste das Penaltyschießen für eine Entscheidung in diesem spannenden Spiel sorgen. Beide Torhüter gaben sich aber keine Blöße. Nicht nach 10 Schützen, nicht nach 20 Schützen, noch immer war kein Sieger gefunden. Der 26. (?) Penalty brachte dann die Steelers auf die Siegerstraße: Andrej Kovalev verlud Christan Rohde und beendete das unglaubliche Spiel.

Und in gewisser Weise auch die Serie. Straubing erholte sich von dem 6-Sekunden-Nackenschlag nicht mehr. Auch in Spiel zwei ging Straubing wieder mit Rohde im Tor und sechs Feldspielern an den Start. Nach 40 Minuten war dann aber der Arbeitstag und auch die Saison für Rohde beendet. 6:2 lagen die Steelers zu diesem Zeitpunkt bereits in Front, mit 8:4 entschieden die Bietigheimer die Partie am Ende für sich. Und auch Spiel Nummer drei ging an den SCB, obwohl nun Pietilä im Kasten stand. Nach furioser Anfangsphase mit vier Toren in Überzahl nach 10 Minuten führten die Steelers in Straubing mit 3:2. Im Schlussdrittel setzte Martin Hinterstocker das 4:2 drauf und besiegelte das erneute Viertelfinalaus der Straubinger gegen Bietigheim.

Neben dem Spiel als Legende, waren auch zwei weitere Legenden der jeweiligen Clubs maßgeblich beteiligt, allerdings jeweils auf der anderen Seite:
Calvin Elfring wechselte direkt nach dieser Saison nach Straubing. Stieg mit den Tigers in die DEL auf, blieb ihnen neun Jahre treu und nach seinem Karriereende war klar, dass seine Nummer 24 in Straubing nie wieder anderweitig vergeben wird.
Trainer der Straubing Tigers, und damit derjenige der sich für Rohde und gegen Pietilä entschieden hat, war kein geringere als spätere Steelers-Legende Kevin Gaudet.